Café Mortel: Ein neuer Weg, über den Tod zu sprechen
- Esther Zürcher
- 22. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Warum wir mehr Gespräche über das Sterben brauchen – und wie ein einfaches Café-Treffen Leben verändern kann
Was ist ein Café Mortel?
In einer Gesellschaft, die den Tod oft verdrängt und tabuisiert, entsteht ein neuer Raum für offene Gespräche: das Café Mortel, eine Gesprächsrunde über das Leben – und den Tod. Diese besondere Form des Zusammenkommens gewinnt auch im deutschsprachigen Raum zunehmend an Bedeutung. Als Bestattungsinstitut möchten wir Ihnen dieses Konzept näherbringen und zeigen, wie wertvoll der offene Austausch über die Endlichkeit des Lebens sein kann.
Was ist ein Café Mortel? Konzept und Ursprung

Das Café Mortel bietet einen geschützten Raum, um offen über den Tod zu sprechen. Es handelt sich um ein einfaches, aber wirkungsvolles Konzept: Menschen treffen sich in einer entspannten Café-Atmosphäre, um über Tod, Sterben und Trauer zu sprechen – Themen, die im Alltag oft vermieden werden.
Die Idee des Café Mortel wurde 2004 vom Schweizer Soziologen Bernard Crettaz ins Leben gerufen. In Neuchâtel organisierte er das erste dieser Treffen mit dem Ziel, die “tyrannische Geheimhaltung” rund um den Tod zu durchbrechen. Crettaz erkannte, dass unsere moderne Gesellschaft den Tod zunehmend aus dem öffentlichen Leben verbannt hatte, was zu einer ungesunden Verdrängung führte.
Bernard Crettaz: Der Gründer und seine Vision

Bernard Crettaz Café Mortel Veranstaltungen begannen als Experiment, entwickelten sich aber schnell zu einem erfolgreichen Format. Als Anthropologe und Soziologe verstand Crettaz, dass Menschen einen Raum brauchen, um ihre Gedanken, Ängste und Erfahrungen rund um den Tod zu teilen. Seine Vision war es, den Tod wieder als natürlichen Teil des Lebens in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Von Death Café zu Café Mortel: Die internationale Bewegung
Jon Underwood adaptierte das Konzept in London und nannte es Death Café, bevor es weltweit bekannt wurde. Seit 2011 hat sich die Bewegung rasant entwickelt. Das internationale Netzwerk der Death Café Bewegung umfasst mittlerweile über 16.000 Veranstaltungen in 85 Ländern. Die Grundprinzipien eines Death Café sind überall gleich: nicht-kommerzielle Treffen mit Erfrischungen in einer respektvollen Umgebung.
Das Totentanz-Café im deutschsprachigen Raum
Im deutschsprachigen Raum findet man diese Veranstaltungen oft unter dem Namen “Totentanz-Café”. Unabhängig vom Namen folgen alle diese Treffen denselben Grundprinzipien:
Gruppengrösse von etwa zwölf Teilnehmern
Eine Dauer von etwa zwei Stunden
Ein geschützter, respektvoller Rahmen
Keine vorgegebene Agenda – die Gespräche entwickeln sich organisch
Erfrischungen (typischerweise Tee und Kuchen)
Cafés in der Region– Ihre Einladung zum Gespräch
Inzwischen gibt es Café-Mortel-Veranstaltungen in über 60 Ländern weltweit – auch in der Schweiz. Die Nachfrage wächst stetig, denn viele Menschen spüren: Reden befreit.
Adressen in der Region:
Café Totentanz, Rain6, 5000 Aarau
Café Mortel, Alter Konsum, 5034 Suhr
Die Teilnahme ist meistens kostenlos, eine Anmeldung ist in der Regel nicht erforderlich. Einfach kommen, zuhören oder mitreden.
Was Teilnehmende berichten – echte Erfahrungen
Viele Menschen verlassen ein Café Mortel mit einem Gefühl der Erleichterung – auch wenn sie zu Beginn zögerlich waren. Die Wirkung dieser offenen Diskussionen ist bemerkenswert und wird durch Forschungsergebnisse bestätigt: Studien zeigen, dass 77,8% der Teilnehmer positive Effekte berichten und 80% eine erhöhte Bereitschaft verspüren, über den Tod zu sprechen.
Hier einige Stimmen:
«Ich war überrascht, wie natürlich sich das Gespräch entwickelt hat. Ich habe zum ersten Mal über meinen eigenen Tod gesprochen – und es war befreiend.» – Marianne, 52
Maria, 67, Teilnehmerin in Aarau, berichtet: “Nach dem Tod meines Mannes fühlte ich mich isoliert mit meiner Trauer. Im Café Mortel habe ich zum ersten Mal erlebt, dass ich offen über meine Gefühle sprechen konnte, ohne dass jemand das Thema wechseln wollte. Diese Erfahrung war unglaublich befreiend.”
Thomas, 42, kam zunächst aus beruflichem Interesse: “Als Pflegefachmann wollte ich lernen, besser mit dem Thema umzugehen. Was ich nicht erwartet hatte: Die Gespräche haben meine eigene Angst vor dem Tod deutlich reduziert. Ich lebe jetzt bewusster.”
Die Trauerverarbeitung Gruppe als sicherer Raum
Viele Teilnehmer beschreiben das Café Mortel als eine Art Trauerverarbeitung Gruppe, auch wenn dies nicht der primäre Zweck ist. Der sichere Raum und die Offenheit der Gespräche helfen Menschen in verschiedenen Lebenssituationen:
Trauernden, die einen Verlust verarbeiten
Menschen, die sich mit ihrer eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen
Angehörigen von schwer erkrankten Personen
Fachpersonen aus Pflege, Medizin und Bestattungswesen
Jedem, der das Tabuthema Tod enttabuisieren möchte

Gesunder Umgang mit Trauer durch offene Kommunikation
Ein gesunder Umgang mit Trauer beginnt oft mit der Fähigkeit, darüber zu sprechen. Die Erfahrungsberichte zeigen, dass der offene Austausch im Café Mortel dazu beitragen kann, Trauer nicht als etwas zu sehen, das “überwunden” werden muss, sondern als Teil des Lebens, der integriert werden kann.
Warum über den Tod sprechen so wichtig ist
Über den Tod sprechen fällt vielen Menschen schwer, doch genau das macht die Gespräche so wertvoll. Warum ist es so wichtig, dieses Tabu zu brechen?
Angstreduktion: Studien zeigen, dass über den Tod sprechen die Angst vor dem Sterben reduzieren kann.
Bewussteres Leben: Wer sich mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzt, lebt oft bewusster und dankbarer.
Bessere Entscheidungen: Offene Gespräche können helfen, Wünsche für das Lebensende zu klären und zu kommunizieren.
Trauerverarbeitung: Der Austausch mit anderen kann den Trauerprozess unterstützen.
Gesellschaftlicher Wandel: Ein wichtiges Ziel des Café Mortel ist es, das Tod Tabu brechen und einen natürlicheren Umgang mit der Sterblichkeit zu fördern.
Ein offenes Sterben Gespräch führen– so beginnt der Dialog
Nicht jeder hat die Möglichkeit oder den Mut, ein Café Mortel zu besuchen. Aber jeder kann zu Hause ein Gespräch beginnen. Hier einige hilfreiche Fragen, die als Gesprächseinstieg dienen können:
Was bedeutet für dich ein gutes Leben – und ein guter Tod?
Was würdest du heute tun, wenn du wüsstest, dass du nur noch ein Jahr zu leben hast?
Gibt es etwas, das du unbedingt noch klären oder sagen möchtest?
Wie möchtest du einmal in Erinnerung bleiben?
· Welche Gedanken oder Gefühle löst das Thema Tod bei dir aus?
Tipp: Beginne das Gespräch nicht aus heiterem Himmel. Nutze einen Film, einen Zeitungsartikel oder diesen Blog als Einstieg. Und gib deinem Gegenüber Zeit – das Gespräch muss nicht beim ersten Anlauf tief gehen. Wichtig ist eine respektvolle, offene Haltung ohne Bewertung der Antworten.
Während das Café Mortel einen Gruppenkontext bietet, kann die individuelle Begleitung auf spezifische Bedürfnisse eingehen. Professionelle Trauerbegleitung Gespräche können eine wertvolle Ergänzung zu den offenen Diskussionen sein.
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