Ein Todesfall im Sommer
- Esther Zürcher
- 23. Juni
- 5 Min. Lesezeit
Was passiert, wenn es heiss ist – und niemand gleich kommt?
Wenn ein Mensch stirbt, steht die Welt für einen Moment still. Doch der Körper bleibt – und mit ihm die Frage: „Was jetzt?“

Besonders im Sommer, wenn die Sonne vom Himmel brennt und die Luft im Haus steht, melden sich ganz andere Sorgen. Viele Angehörige rufen uns an und fragen:„Der Arzt war noch nicht da – ist das gefährlich?“ „Wie lange darf der Verstorbene zuhause bleiben?“ „Was passiert mit dem Körper bei dieser Hitze?“„Und was ist mit dem Geruch?“
Solche Fragen sind nicht nur verständlich – sie sind berechtigt. Deshalb möchten wir Ihnen heute Klarheit geben, ohne Fachwörter, nur mit dem, was wichtig ist.
Was viele nicht wissen: Der Körper verändert sich – aber nicht sofort
Wenn ein Mensch stirbt, beginnen natürliche Veränderungen. Der Körper wird kühler, die Haut verändert sich, später kommt es zur sogenannten Leichenstarre. Das alles ist normal. Doch im Sommer läuft das Ganze etwas schneller ab, weil Hitze wie ein Verstärker wirkt. Sie beschleunigt Prozesse, die sonst Tage brauchen. Bereits nach wenigen Stunden kann es zu Verfärbungen der Haut oder sichtbaren Veränderungen kommen. Das ist ungewohnt – aber nicht gefährlich.
"Und was ist mit dem Geruch?“ – Auch diese Frage hören wir oft.
Tatsächlich entstehen unangenehme Gerüche nicht sofort. In den ersten Stunden nach dem Tod – selbst im Sommer – bleibt der Körper meist stabil. Mit einfachen Massnahmen wie Raumkühlung und frischer Luft lässt sich vieles verhindern oder deutlich hinauszögern. Wichtig ist: Sie sind dieser Situation nicht hilflos ausgeliefert. Und wir stehen Ihnen beratend zur Seite und das Wichtigste: Das geschieht nicht in Minuten. Sie haben Zeit. Zeit, um Abschied zu nehmen und um Hilfe zu organisieren.
Warum der Verstorbene nicht sofort abgeholt werden kann
Viele Menschen gehen davon aus, dass nach dem Tod sofort das Bestattungsinstitut kommen muss. Doch das stimmt nicht – und darf es auch nicht. In der Schweiz gilt: Ein Arzt muss den Tod bestätigen. Erst dann dürfen wir Bestatter tätig werden. Das kann – gerade am Wochenende, in der Nacht oder auf dem Land – mehrere Stunden dauern.
Was tun in der Zwischenzeit?
Nicht in Panik verfallen. Der Verstorbene darf – auch im Sommer – bis zu 36 Stunden zuhause bleiben. So steht es im Gesetz. Und auch wenn es unangenehm scheint: Diese Zeit ist oft nötig, damit Abschied überhaupt möglich wird. Früher war es ganz selbstverständlich, dass ein Verstorbener noch einige Zeit zuhause blieb – damit sich Familie, Freunde und Verwandte in Ruhe verabschieden konnten. Oft reisten Angehörige von weit her an, um noch einmal beim geliebten Menschen zu sein. Diese Tradition mag heute ungewohnt erscheinen, doch sie hat vielen geholfen, den Verlust besser zu verarbeiten.
Was Sie tun können, wenn es sehr heiss ist

In der heutigen Zeit möchten viele ältere Menschen so lange wie möglich zuhause bleiben. Umso herausfordernder wird es, wenn ein Todesfall in den eigenen vier Wänden eintritt – besonders bei hohen Temperaturen, die weit über dem liegen, was wir als angenehm empfinden.
In solchen Situationen können bereits einfache Massnahmen viel bewirken: Öffnen Sie frühmorgens und spätabends die Fenster, kühlen Sie die Räume mit Ventilatoren oder mobilen Klimageräten, und schliessen Sie tagsüber Fensterläden oder Storen, um direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden. Legen Sie – wenn nötig – Kühlakkus oder Eisbeutel unter den Körper, um die Veränderungsprozesse zu verlangsamen. Wichtig: Bitte keine Decke über den Verstorbenen legen, sie speichert Wärme. Wenn es räumlich möglich ist, kann auch ein vorbereiteter, kühler Kellerraum helfen.
Was hinter den Kulissen passiert, wenn jemand stirbt
In Altersheimen wird häufig darauf gedrängt, dass Bestattungsunternehmen besonders schnell handeln – nicht aus Nachlässigkeit, sondern weil viele Zimmer nicht klimatisiert sind. Hospize verfügen manchmal über Kühlplatten, die unter den Körper gelegt werden können. Allerdings ist deren Handhabung nicht einfach: Der Körper kann an der Platte kleben bleiben, weshalb stets ein Tuch dazwischen gelegt werden muss. In Spitälern wiederum gibt es zwar Kühlräume, doch sie sind oft klein, beengt und technisch eher funktional als würdevoll – mit Schubladen, wie man sie aus Krimis kennt. So etwa auch im neu umgebauten Kantonsspital Baden.
Diese praktischen Realitäten gehören leider zum Alltag. Doch trotz allem bleibt unser Ziel klar: Den Verstorbenen mit Würde behandeln und den Angehörigen einen geschützten Raum für ihren Abschied geben – auch unter schwierigen Bedingungen.
Gerade bei hohen Temperaturen können Sie selbst viel tun, um Veränderungen zu verlangsamen:
Den Raum abdunkeln und kühl halten (Fenster nur zum Kühlen öffnen, Rollläden runter)
Einen Ventilator oder ein mobiles Klimagerät einschalten- Kühlakkus in ein Tuch eingwickelt unter den Körper legen (z. B. an Nacken, Leiste oder Achseln) keine Decke
Die Hände des Verstorbenen neben dem Körper locker platzieren
Auch ein kühler Ort in der Wohnung oder im Keller können hilfreich sein
Denn ein Abschied braucht Zeit.
Warum der Abschied zuhause – auch im Sommer – wertvoll sein kann.
Viele Menschen fürchten sich vor dem Anblick eines toten Körpers. Besonders, wenn es heiss ist. Doch gerade in dieser ersten Zeit nach dem Tod liegt auch etwas sehr Kostbares: die Gelegenheit zum bewussten Abschied.

Sie dürfen sich verabschieden. In Ruhe. Ohne Zeitdruck.
Sie dürfen noch einmal die Hand halten.
Worte sagen, die Sie nie gesagt haben.
Sie dürfen weinen.
Oder einfach nur dasitzen.
Und wir versichern Ihnen: Es ist nicht gefährlich. Auch nicht bei 30 Grad. Wenn es zu warm wird, beraten wir Sie, wie Sie die Situation gut überbrücken können.
Was wir für Sie tun können
Wir dürfen erst handeln, wenn der Arzt den Tod bestätigt hat – aber wir lassen Sie nicht allein. Rufen Sie uns an. Auch nachts. Wir geben Ihnen am Telefon wertvolle Hinweise, was jetzt wichtig ist. Und wenn wir kommen, tun wir es ruhig, respektvoll und mit Verständnis.
Wir beraten Sie, ob eine Aufbahrung zuhause oder in unseren Räumen sinnvoll ist. Und wir nehmen uns die Zeit, die Sie brauchen.
Denn eines ist uns wichtig:
Ein würdevoller Abschied ist auch bei Hitze möglich. Mit ein paar einfachen Massnahmen – und mit Menschen an Ihrer Seite.
Keine Angst. Sie sind nicht allein.
Hitze ist unangenehm, ja. Und sie verändert vieles – auch im Tod. Aber mit etwas Wissen und Vorbereitung können Sie diesen Moment würdevoll gestalten.
Es ist nicht gefährlich, einen Verstorbenen einige Stunden zuhause zu haben.
Veränderungen geschehen nicht sofort – und lassen sich verlangsamen.
Abschied braucht Zeit – und die dürfen Sie sich nehmen.
Wir begleiten Sie – auch, wenn die Sonne brennt.
Denn auch wenn der Körper geht – die Verbindung bleibt.
Ein würdevoller Abschied ist kein Luxus. Er ist ein menschliches Bedürfnis. Gerade wenn es draussen heiss ist, wenn alles drückt und schwer wird, brauchen wir innerlich Halt. Weil jeder Mensch es verdient, in Würde zu gehen und weil jeder Abschied ein Anfang ist
Comments