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AutorenbildEsther Zürcher

Wenn der Tod einen neuen Anfang bedeutet

Aktualisiert: 26. Sept. 2023

Unterschiedliche Verabschiedungszeremonien

In unseren Breitengraden gilt der Tod allgemein als Ende und wird entsprechend betrauert, in anderen Kulturen wird er als Übergang in eine andere Welt gesehen und wird entsprechend gefeiert. Rituale bilden die Basis unseres Zusammenlebens und geben uns ein Gefühl der Zusammengehörigkeit im sozialen Rahmen. Regelmässig gemeinsam erlebte Handlungen fördern unser Gruppengefühl und geben uns eine innere Stabilität. Viel von unserem täglichen Leben ist schematisiert und vorhersehbar, denken wir an die Abläufe in einer Familie, bestimmen viele kleine harmlose Handlungen das Aufstehen: Wir werden geweckt, putzen uns die Zähne, trinken einen Kaffee, lesen die aktuellen News oder werfen einen Blick in die Zeitung – alles kleine wiederkehrende Rituale, die uns Halt geben bevor wir das Haus verlassen. Dann gibt es die grösseren Bräuche wie Kerzen auf einer Geburtstagstorte, das Wasser bei einer Taufe, der Ring bei einer Verlobung oder Hochzeit, die Kugeln am Christbaum oder die Aufbahrung bei einem Begräbnis. Unser Leben ist voll von unzähligen Ritualen, die wir oft nicht als solche erkennen. Rituale sind wichtig und werden in jedem Kulturkreis anders gelebt, hier gibt es kein Richtig oder Falsch, das Einzige was zählt ist die Überzeugung, die dahintersteht. Natürlich braucht das ein grosses Mass an Toleranz und Offenheit, denn alles was nicht mit unseren eigenen Ritualen übereinstimmt erscheint uns im ersten Moment falsch. Oft ist es hilfreich, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen, um zu verstehen, wie es denn zu diesem oder jenem Brauch gekommen ist – das ist nicht nur spannend, sondern auch überaus aufschlussreich.


Rituale und Bräuche bei der Sterbebegleitung

In nahezu allen Kulturen ist es üblich, einen Sterbenden nicht alleine zu lassen auf dem letzten Weg. Bei der Frage, wie diese Begleitung aussieht, wer wen vor oder nach Eintritt des Todes berühren darf oder wie rasch eine Bestattung vorgenommen wird, entstehen bereits grosse Unterschiede aufgrund der religiösen Zugehörigkeit. Immer öfter wird aber auch der Glaube individuell angewendet, so dass die Angehörigen sich durchaus eigener Rituale bedienen, die zu ihren Ansichten und zu ihrem Glauben passen. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass man mit den Hinterbliebenen über deren Ansichten und Wünsche bezüglich der Bestattung spricht, damit sich ein Bild über deren Vorstellungen ergibt. Noch viel einfacher ist das allerdings, wenn die verstorbene Person selbst den Ablauf definiert und mit der Familie zu Lebzeiten besprochen hat. Wenn man sich überlegt, wozu denn Trauerrituale überhaupt da sind, dann kristallisieren sich zwei Gründe hervor: Einerseits geht es darum den Verstorbenen zu ehren und andererseits hilft es den Hinterbliebenen, den Abschied besser zu meistern.


Aus der Geschichte der Bestattung

Tiere bestatten ihre toten Artgenossen nicht. Aber man weiss, dass Schimpansen bis zu sechs Stunden lang einen Toten umringen, ihn säubern und dabei auffallend ruhig vorgehen. Ebenso weiss man von Hunden, die depressives Verhalten zeigen, wenn ein Bindungspartner verstirbt oder der japanische Hund Hachiko, der fast zehn Jahre lang auf die Rückkehr seines Herrchens gewartet hat. Wenn man die Natur als Vorbild nimmt, dann entspricht eine Bestattung also nicht der Norm, sondern wurde zu einem Ritual gemacht. Eines der ältesten Gräber im Nahen Osten ist nachweislich 95'000 Jahre alt, wo ein Jugendlicher in der Nähe von Narareth bestattet wurde – es wurde 1969 bei der Höhle Oafzeh gefunden. Die heutige Art der Bestattung ist also geprägt von religiösen und geschichtlichen Entwicklungen der letzten Jahrtausende.


Das Judentum

Die jüdische Religion gehört zu den ältesten monotheistischen (Ein-Gott-Glaube) Religionen und bildet gleichzeitig die Wurzel des Christentums und des Islams. Sie stützt sich auf mehrere heilige Schriften, wie das Alte Testament und den darin enthaltenen 10 Geboten (mosaische Gesetze), die Moses auf dem Berge Sinai empfangen hatte. Bis heute wird der Einhaltung der Gesetze und deren Ableitungen aus dem AT grosse Bedeutung zugemessen. Es gibt zwei bekannte Glaubenssymbole, da ist einerseits der siebenarmige Leuchter und der Davidstern, der seit 1948 auch auf dem israelischen Wappen zu finden ist und oft auf Grabsteinen Verwendung findet.



Das jüdische Leben ist oft bis ins kleinste Detail geregelt, so gibt es auch spezielle Vorgehensweisen bei der Bestattung. Der Verstorbene wird durch jüdische Gemeindemitglieder in einem Leintuch transportiert und nach einer rituellen Waschung in vollständige Sterbekleider eingekleidet. Der Sarg sollte in einfacher Ausführung und aus rohem Holz hergestellt sein - traditionell wird vor dem Verschliessen ein Stück Erde aus Israel in den Sarg gegeben. Bis der Grabstein gesetzt wird, wird ein «Brett» als Grabzeichen verwendet, welches im Gegensatz zum Holzkreuz keine symbolische Bedeutung hat.


Die jüdischen Religionsgemeinschaften führen eigene Privatfriedhöfe oder Teile auf kommunalen Friedhöfen, die jedoch dem gleichen Gesetz wie die Gemeindefriedhöfe unterstellt sind. Es gibt nur Erdbestattungen, da das traditionelle Judentum an die Wiederauferstehung der Toten glaubt und eine Bestattung soll so rasch als möglich erfolgen. Die Abdankung ist oft sehr schlicht und wird weder von Musik begleitet noch mit Blumen geschmückt – auch die Grabpflege mit Blumen ist nicht vorgesehen. Stattdessen sieht man oft aufgehäufte Steinchen auf den Grabsteinen – sie gehen zurück auf eine alttestamentliche Sitte, bei denen Besucher am Grab Erinnerungszeichen hinterlassen.


Das Christentum

Das Christentum gehört zu den zweitältesten Weltreligionen, ist aus dem Judentum entstanden und deshalb damit eng verbunden sind. Das alte und das neue Testament bilden die Grundlage mit dem Kreuz als Symbol für den Glauben. Wobei die katholische Kirche das Kreuz mit Christuskörper, die protestantische das Kreuz ohne und die altkatholische Kirche beide Versionen verwendet. Die Schweiz kennt drei Landeskirchen: Protestantische reformierte Kirche, Römisch-katholische Kirche und die Christkatholische Kirche. Diese unterscheiden sich im Wesentlichen bei theologischen Lehrfragen bezüglich dem Schriftverständnis der Bibel, des Todes Christi und der Sicht auf die Gnade Gottes.


Entstanden sind die verschiedenen Glaubenszweige bereits im byzantinischen Reich im Jahre 1'054 bei der ersten Kirchenspaltung und dann erneut im 16. Jahrhundert durch M. Luther und U. Zwingli durch die Abtrennung der Protestanten und der Reformierten. Aus dieser Trennung entstand die römisch-katholische Kirche mit dem Papst als Oberhaupt und die orthodoxen Kirchen des Ostens mit den Patriarchen. Die christkatholische Kirche sagte sich im Jahre 1870 infolge der Unfehlbarkeitserklärung des Papstes von Rom los.



Die Bestattungszeremonien all dieser Religionen sind uns weitgehend bekannt, darum gehen wir hier nicht weiter darauf ein. Interessant ist aber auch hier, dass die Geschichte und als solches auch die Trennung von Bekanntem, als Basis für neue Abläufe und neuen Ritualen dient. So wie es die meisten Schweizer heute kennen und für sich als «normal» betrachten.


Begräbnisse in der Schweiz unterstehen den jeweiligen kantonalen Gesetzen, welche gemäss Bundesverfassung «die Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet». Diese regeln unter anderem, dass ein Gemeindefriedhof zur Verfügung gestellt wird, dass ein geschlossener, geheizter Raum für die Abdankungsfeierlichkeiten zur Verfügung steht und jeder das Recht auf ein Begräbnis hat. Die jeweilige Kirchenpflege indes entscheidet, ob einem Andersgläubigen die Kirche zur Verfügung gestellt wird.


Der Islam

Diese Religion gehört zu den jüngsten der monotheistischen Religionen, wurde im 7. Jahrhundert durch Mohammed verkündet und löste den bis dahin verbreiteten Polytheismus ab. Der islamische Kalender beginnt im Gegensatz zum christlichen Kalender im Jahre 622 n.Chr. mit dem Jahr 1. Die Heilige Schrift ist allein der Koran, der die Lehren von Mohammed beinhaltet, die er vom Engel Gabriel empfangen hat. Moses und Jesus werden als Propheten anerkannt, aber die Bibel wird als verfälscht angesehen und die Gläubigen werden dazu angehalten, sich an die im Koran aufgeführten Gebote zu halten. Als Symbol des Islams kennt man den Halbmond mit einem Stern, allerdings wird das Zeichen nicht als Symbol des Glaubens verstanden, sondern als Zeichen der islamischen Völkergemeinschaft.



Auch im Islam findet man unterschiedliche Bestattungsrituale, wobei man auch hier einige Gemeinsamkeiten findet. In ihrer Heimat lassen sich Muslime ohne Sarg beerdigen und legen Wert darauf, dass Ihr Angesicht im Grab gegen Mekka gerichtet ist – dem Geburtsort des Propheten Mohammed. Eine Einäscherung ist nicht vorgesehen und die Beerdigung soll möglichst rasch, wenn möglich innert 24 Stunden, erfolgen. Die verstorbene Person wird nach einer rituellen Waschung in weisse Leintücher eingewickelt und dann wird das Totengebet gesprochen. Für den Transport in die Moschee oder den Gebetsraum oder einen anderen geeigneten Ort, wird ein Sarg verwendet und von Verwandten und Bekannten getragen. Der Körper wird üblicherweise im Sarg nach rechts, also nach Kaba in Mekka blickend, ausgerichtet. Am Grab werden Bittgebete gesprochen, bevor das Grab mit Erde bedeckt wird. Normalerweise werden keine Särge verwendet, wo das Friedhofreglement jedoch etwas anderes vorsieht, kommen einfache Särge zum Einsatz.


Unabhängig von der Religion

Der Beruf des Bestatters ist vielseitig und abwechslungsreich. Was viele nicht wissen, ist dass man sehr oft konfrontiert ist mit ungewohnten Situationen. Es braucht einen offenen Geist und vor allem eine offene Einstellung für andere Glaubensrichtungen. Auch Ansichten über die Art und Weise, wie verschiedene Kulturkreise den Abschied von geliebten Menschen feiern und welche Traditionen für sie wichtig sind, gehört zum Berufsalltag. Es braucht eine hohe ethische Einstellung gegenüber den Lebenden und eine moralische Verpflichtung gegenüber den Verstorbenen.

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